Rückblick
In IGEL-Team Band 1 wurden Ingo, Georg, Enzo und Lisa in ihren Ferien am Bodensee auf die vielen Vermisstenanzeigen verschwundener Katzen aufmerksam. Kurzerhand gründeten sie das IGEL-Team und gingen der Sache als Hobbydetektive auf den Grund. Schließlich konnten sie den Fall lösen, die Täter überführen, und bekamen eine satte Belohnung. Ihr Talent als Detektive sprach sich schnell rum. Daher bekamen und bekommen sie immer wieder Anfragen verzweifelter Menschen, die sie in besonders rätselhaften Fällen um Hilfe bitten.

Über das Team:
Ingo, Georg und Lisa sind Geschwister. Der mollige Enzo ist ein italienischer Junge aus der Nachbarschaft. Weil Enzos Eltern eine Pizzeria betreiben, haben sie wenig Zeit für ihn. Daher verbringt er die meiste Zeit mit den drei Geschwistern der Familie Seifert.


Alle Kinder bringen ihre persönlichen Eigenschaften mit:
Ingo Seifert (12) ist sehr klug und ein geschickter Pfadfinder.
Er will später einmal Naturwissenschaftler werden.

Georg Seifert (13) ist groß und stark.
Er ist dreizehn Jahre jung, was man ihm nicht ansieht, denn aufgrund seiner Größe würde man ihn auf neunzehn Jahre schätzen. Er strebt es an, einmal Pilot zu werden.

Enzo Vangelista (12) ist etwas mollig und hat immer Hunger.
Er kann italienisch und kann prima Tierstimmen nachahmen. Enzo möchte später einmal ein Gourmetrestaurant betreiben.

Lisa Seifert (11) ist kleiner, schlanker, sportlicher und flinker als die anderen Kinder. Leider versagt bei Aufregung ihre Stimme. Sie möchte mal Tierpflegerin oder Tierärztin werden.

Zusammen sind sie ein unschlagbares Team:
Das IGEL-Team

Mehr über das IGEL-Team findest du unter:
www.igelteam.jimdo.com


IGEL-Team Band 37 – Vandalismus in Schloss Kronenfels
In diesem Band ermitteln die vier Kinderdetektive gegen Vandalen im Schloss Kronenfels.
Die Kinderdetektive des IGEL-Teams werden in den Osterferien auf Schloss Kronenfels eingeladen, um einen besonderen Fall aufzuklären. Diesmal geht es nicht nur um einen Diebstahl, sondern um blanke Zerstörungswut. Die Täter brechen in Zimmer ein, reißen Bretter und Holzdielen von den Wänden und entkommen unbemerkt. Die Sachschäden sind enorm. Die Schlossbesitzer wissen nicht mehr weiter und ihnen droht der finanzielle Ruin, da ihnen selbst die Polizei nicht helfen kann. Die aufgeweckten Kinderdetektive nehmen den Fall an, ermitteln und geraten wieder einmal in ein großes und spannendes Abenteuer.


1. Ein ganz besonderer Auftrag
Draußen war es noch dunkel und still, was kein Wunder war, denn es war gerade mal 4 Uhr am Morgen. Der dreizehnjährige Georg lag in seinem Bett und schreckte aus dem Schlaf. Er schlug die Augen auf und hatte ein seltsames Gefühl. War da jemand in seinem Zimmer? Die Zimmertür war einen Spalt weit geöffnet, was er daran erkannte, dass der Schein der Nachtlampe vom Flur einfiel. Ein eiskalter Schauer jagte ihm über den Rücken und sein Atem stockte.
»Einbrecher«, war sein erster Gedanke.
Jetzt hörte er ein leises Atmen neben seinem Ohr. Zweifellos saß jemand an seinem Bett und starrte ihn an. Er glaubte sogar, einen dunklen Schatten zu erkennen. Angespannt hielt er die Luft an und nahm vorsichtig seine Bettdecke in beide Hände.
»Hab ich dich«, rief er und schleuderte die Decke schwungvoll über den Eindringling, worauf ein erstickter Schrei zu hören war.
Georg sprang aus dem Bett, rannte zum Schalter und knipste das Licht an. Tatsächlich befand sich etwas unter der Decke. Sie lag neben dem Bett und bewegte sich heftig.
Mutig stürzte sich Georg auf den Eindringling. »Dein Spiel ist aus. Du bist hiermit festgenommen!«
»Hey! Hör auf damit und sei nicht so laut, Georg«, hörte er eine ihm vertraute Stimme.
»Ingo?«, erkannte er seinen zwölftjährigen Bruder.
Ingo lugte unter der Decke hervor und rückte sich seine Brille zurecht, die durch die Attacke verrutscht war. »Mensch, Georg! Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
»Ich dir?« Georg lachte zynisch. »Hast du eine Ahnung, wie mein Herz gepocht hat, als ich dachte, ein Fremder wäre in meinem Zimmer? Es ist genau umgekehrt, mein Lieber. Du hast mir einen tüchtigen Schrecken eingejagt. Bist du von Sinnen? Weshalb schleichst du dich eigentlich nachts heimlich in mein Zimmer und setzt dich neben mein Bett?«
»Ich habe mich nicht heimlich in dein Zimmer geschlichen, sondern ich wollte dich nur vorsichtig aufwecken«, rechtfertigte sich Ingo.
»Wozu?«, war Georg gespannt auf die Antwort.
»Ich konnte heute Morgen nicht mehr schlafen und setzte ich mich an den Computer«, erklärte Ingo. »Vor etwa einer Stunde habe ich eine Mail mit einem neuen Detektivauftrag bekommen. Ich dachte, er würde dich interessieren und aus diesem Grund wollte ich dich aufwecken. Aber falls du zu müde bist, schlafe ruhig weiter, wir können die Sache ebenso gut später beim Frühstück besprechen.«
»Machst du Witze?«, fragte Georg mit grimmiger Miene. »Nach diesem Vorfall bekomme ich kein Auge mehr zu. Außerdem möchte ich jetzt dringend wissen, worum es bei diesem Auftrag geht. Das muss ja was Besonderes sein, weil du mich extra deshalb aufgeweckt hast.«
Mit dieser Schlussfolgerung lag Georg gar nicht so falsch, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte.


Wenig später kam Georg in Ingos Zimmer und traute seinen Augen nicht. Seine elfjährige Schwester Lisa saß mit dem zwölfjährigen Nachbarsjungen Enzo auf dem weißen Flokati vor Ingos Bett. Ingo saß auf seinem Bett und alle hielten eine Tasse heiße Schokolade in den Händen.
Georg war perplex. »Was geht denn hier ab? Es ist doch erst 4 Uhr? Lisa ist auch schon wach. Enzo? Warum bist du eigentlich schon da?«
»Ingo und Lisa haben mich vorhin über das Funkgerät informiert«, erklärte der mollige, schwarz gelockte Junge. »Als ich von dem Auftrag erfuhr, bin ich augenblicklich rübergekommen.«
»Lüg doch nicht so rum«, mahnte Lisa im Spaß. »Erst als wir dir versprachen, eine heiße Schokolade zuzubereiten, bist du rübergekommen.«
Enzo grinste verschmitzt. »Ich wäre aber auch so gekommen. Ja gut, ich muss zugeben, es war ein gutes Lockmittel, wodurch ich vielleicht einige Minuten früher da war.«
»Machen sich deine Eltern keine Sorgen, wenn sie dich nicht in deinem Bett vorfinden werden«, sorgte sich Georg. »Schließlich hast du dich aus dem Haus geschlichen, oder?«
Enzo lachte. »Nein. Meine Eltern sind seit 3 Uhr in der Küche und bereiten die Zutaten für die Pizzen vor. Ich habe ihnen sogar erzählt, dass ich zu euch rübergehen werde, weil Ingo mich übers Funkgerät gerufen hat.« In der Tat waren Enzos Eltern immer sehr beschäftigt, da sie eine eigene Pizzeria betrieben und immerzu am Arbeiten waren. Aus diesem Grund verbrachte der italienische Junge die meiste Zeit bei Familie Seifert und war inzwischen wie ein Mitglied der Familie geworden.
»Na schön«, meinte Georg. »Worum geht es denn bei diesem Auftrag? Wer von euch möchte mich darüber informieren?«
»Wir haben gewartet, bis du kommst, Georg«, klärte Lisa auf. »Enzo und ich, wir wissen es ebenfalls noch nicht. Ingo! Lass doch mal hören, was so wichtig war, uns alle in aller Früh aus den Betten zu holen.«
»Zu viel Schlaf ist sowieso ungesund und macht müde, weil der Stoffwechsel auf Dauer gesenkt wird. Deshalb sollte man nicht länger als 9 Stunden schlafen«, klärte Ingo auf. »Auf der Fensterbank steht dein Kakao, Georg.«
Georg ließ sich nicht zweimal bitten und griff sich die Tasse. »Oh lecker, vielen Dank.«
»Gerne«, antwortete Ingo. »Also wir wurden eingeladen, unsere Osterferien in einem Schloss im Ort Kronberg zu verbringen …«
Ingos Worte wurden von einem lauten Hurra unterbrochen, doch unbeirrt fuhr er fort: »Dort treiben Vandalen ihr Unwesen. Es wird in Zimmern eingebrochen und einfach nur die Einrichtung demoliert. Die Zerstörer reißen die Holzverkleidungen und Tapeten von den Wänden, aber seltsamerweise wurde bisher nichts gestohlen. Die Polizei kann den Leuten leider nicht weiterhelfen, weil sie keine Spuren finden.«
»Das ist ein Rachemotiv«, war Lisa sicher. »Die Täter wollen sich bei den Schlossbesitzern für irgendwas rächen.«
»Das kann sein, Lisa«, erwiderte Enzo. »Ich tippe aber eher auf ein Neidmotiv. Die Täter sind neidisch auf die Schlossbesitzer und wollen so viel Schaden anrichten, wie sie nur können, um sie in den finanziellen Ruin zu treiben.«
»Diese beiden Motive sind mir bereits selbst eingefallen«, teilte Ingo mit. »Da nichts gestohlen wurde, kann man Geldgier und Habgier als Motive ausschließen.«
»Es könnte aber ebenso ein Einschüchterungsversuch sein«, fiel Georg ein. »Eventuell könnte jemand die Wände zerstören, um die Schlossbesitzer einzuschüchtern. Vielleicht erhofft sich der Täter damit, die Schlossbesitzer zu vertreiben?«
»Das könnte gut möglich sein«, erwiderte Ingo und setzte sich an den Schreibtisch. »Sehen wir uns dieses Schloss mal im Internet an, damit wir wissen, wo wir unsere Ferien verbringen werden.«
Enzo, Lisa und Georg kamen zum Schreibtisch und schauten Ingo über die Schulter, während er die Webseite durchforstete. Sie fanden heraus, dass das Schloss Kronenfels Touristen beherbergte. Alle Zimmer sahen sehr ansprechend aus. Manche waren mit rötlichen Tapeten und manche mit holzvertäfelten Wänden versehen. In jedem Zimmer befand sich ein offener Kamin. Die dunklen, rustikalen Holzmöbel passten sehr gut zu einem Schloss so wie die verschnörkelten Bilderrahmen der Wandgemälde und die goldenen Kronleuchter. Ebenso passten die Himmelbetten und die Teppiche zur Einrichtung, die man nur in einem Schloss erwarten würde. Das Speiserestaurant war im ähnlichen Stil eingerichtet. Da standen Tische mit weißen Tischdecken, auf denen silbrige Kerzenleuchter platziert waren. Rustikale Stühle, holzvertäfelte Wände, schwere Vorhänge, ein offener Kamin und ein pompöser Kronleuchter ließen den Speiseraum geheimnisvoll wirken.
»Es hat was von einem Spukschloss«, schauderte Lisa. »Trotzdem freue ich mich …«
Lisa brach mitten im Satz ab, als es kurz klopfte, bevor die Zimmertür aufging. Eine Frau mit langen blonden Haaren schaute herein. »Guten Morgen, Kinder. Was ist denn hier los? Es ist nicht mal 5 Uhr und ihr seid bereits wach?«
»Guten, Morgen«, grüßten die Kinder wie aus einem Munde.
»Wir wurden über die Osterferien auf ein Schloss nach Kronberg eingeladen«, teilte Ingo fröhlich mit. »Jemand zerstört die Wände und wir sollen herausfinden, wer das sein kann. Dürfen wir den Auftrag annehmen, Mama?«
Frau Seifert überlegte kurz. »Gut. Dann wünsche ich euch viel Spaß. Aber seid bitte vorsichtig und begebt euch nicht in Gefahr.«
»Hurra«, riefen die Kinder lauter, als sie es wollten.
»Nicht so laut«, zischte Georg verantwortungsvoll. »Wir wecken sonst noch Papa auf. Nein, Mama. Du kennst uns doch. Wir begeben uns nicht in Gefahr.«
»Richtig. Wir sind stets sehr vorsichtig. Du kannst ruhig wieder zu Bett gehen, Mama«, sagte Lisa. »Hoffentlich haben wir dich nicht aufgeweckt.«
»Unsinn«, antwortete Enzo. »Eure Mutter steht immer vor 5 Uhr auf und bereitet das Frühstück für euren Vater zu, der in etwa einer viertel Stunde aufstehen wird. Ihr bekommt das nur nie mit, weil ihr euch sonst um diese Uhrzeit noch im Land der Träume befindet.«
Enzo wusste genau Bescheid, weil er jeden Morgen vor der Haustür darauf wartete, bis die Kinder aufstanden und ihn zum gemeinsamen Frühstück herein ließen. Täglich hörte er die Geräusche aus dem aufgeklappten Küchenfenster und begegnete danach vor der Haustüre Herrn Seifert, der zur Arbeit ging.
Die Mutter nickte und schmunzelte. »Enzo kennt sich mit meinem Tagesablauf besser aus als ihr. Ich werde zuerst Kaffee für euren Vater kochen. Ihr könnt in etwa 20 Minuten zum Frühstück runterkommen. Ich weiß doch, dass ihr auf glühenden Kohlen sitzt und unbedingt so schnell wie möglich in die Ferien fahren wollt.«
»Du bist die Beste, Mama«, rief Georg dankbar.
»Das stimmt«, pflichtete Ingo bei. »Aber wir wollen Papa nicht beim Zeitunglesen stören und deshalb werden wir erst packen und danach frühstücken.«
»Eine gute Entscheidung«, sagte die Mutter. »So habe ich genügend Zeit, euch ein ordentliches Frühstück und Wegverpflegung für die Reise vorzubereiten.«
»Ingo hat nur Angst, dass er während des Frühstücks nicht die Zeitung lesen kann, weil Papa sie liest«, folgerte Lisa. »Deshalb will er warten, bis Papa fort ist.«
Ingo nickte. »Ja, das auch. Aber ich bin viel ruhiger und entspannter, sobald die Arbeit erledigt ist und unser Gepäck bereitsteht.«


2. Eine gemütliche Zugfahrt
Enzo eilte hinüber zu seinem Elternhaus, um zu packen und schon ging die Rennerei im Hause der Seiferts los. Vor lauter Aufregung und Eile hätten die Kinder im Flur fast den Vater umgerannt, der auf dem Weg zur Küche war. Schubladen und Türen wurden geräuschvoll aufgerissen und zugeknallt. Koffer, Taschen und Rucksäcke wurden herumgeworfen. Es wurde geredet, gerufen, geschrien und gelacht. Es rumpelte und polterte durchs ganze Haus, bis nach etwa 45 Minuten eine friedliche Stille einkehrte. Zufrieden betrachteten die Kinder ihr Gepäck, das neben der Haustür bereitstand.
Ingo legte den Zettel mit dem Fahrplan obendrauf. »Das war's, Leute. Ich schätze, wir haben an alles gedacht und nichts vergessen. Gleich nach dem Frühstück können wir zum Zugbahnhof aufbrechen. Wir müssen nur im Ort Winden, in Karlsruhe und in Frankfurt umsteigen und sind in 2 Stunden und 40 Minuten dort.«
»Nur 2 Stunden und 40 Minuten?«, wiederholte Enzo angenehm überrascht. »Das geht ja noch.«
»Ja«, bestätigte Lisa mit einem schalkhaften Grinsen. »Das heißt, dass wir unterwegs keine Brotzeit einlegen werden.«
»Das ist noch nicht sicher«, widersprach Enzo. »Schließlich haben wir Ostern. Zwischendurch werden wohl ein Butterbrot und ein Osterei erlaubt sein.«
Kurz danach saßen die Kinder am Frühstückstisch und ließen sich die Köstlichkeiten schmecken, die Frau Seifert für sie vorbereitet hatte. Es gab knusprige Brötchen, verschiedene Marmeladen, Honig und Zuckerrübensirup. Zum Trinken standen ein Topf heiße Milch und ein Topf mit heißer Schokolade bereit. Draußen wurde es langsam hell, die Vögel fingen zu zwitschern an und begrüßten den herrlichen Frühlingstag. Während die Kinder frühstückten, las Ingo nebenbei in der Zeitung und Frau Seifert war an der Anrichte damit beschäftigt, den Proviantkorb für die Reise vorzubereiten. Zum Abschluss des Frühstücks stellte die Mutter jedem ein großes Glas Orangensaft hin, um sicherzustellen, dass sie genügend Vitamine für den Tag zu sich nahmen. Nach dem Frühstück verabschiedeten sich die Kinder und machten sich voller Vorfreude auf den Weg zum Bahnhof.


Unermüdlich zog die kleine Truppe mit ihren schweren Koffern durch die Kleinstadt Bad Bergzabern dem Bahnhof entgegen. Die Morgendämmerung zauberte rotblau-violette Wolkenformationen in den Himmel und es wehte eine warme Brise, die einen blumigen Duft verbreitete. Kaum angekommen, kam der Zug und die Kinder stiegen ein. Nur wenig später kamen sie zum Ort Winden, wo sie umsteigen mussten. Wenige Minuten danach kamen sie nach Karlsruhe und stiegen erneut um. Ihr Ziel war nur noch knapp 90 Minuten entfernt.
»In einer Stunde sind wir in Frankfurt, wo wir ein weiteres Mal umsteigen müssen«, wies Ingo hin. »Dann sind es 30 Minuten bis nach Kronberg.«
Sie suchten sich einen freien Platz, machten es sich bequem und beobachteten die vorbeiziehende Landschaft, die immer mehr in der aufgehenden Morgensonne erstrahlte. Der Zug rollte über die Schienen, die durch Tannen-, Laub- und Mischwälder führten, welche das Innere der Waggons mit einem würzigen Tannenduft erfüllten. Der Weg führte durch interessante Hügellandschaften, weite Felder und üppig bunte Blumenwiesen.
Ingo nahm seinen Klapprechner auf den Schoß. »Ich habe die Webseite gespeichert, weil ich unterwegs kein Internet habe. So können wir uns alles genau ansehen, bevor wir dort ankommen werden.«
Das hielten alle für eine hervorragende Idee und so schauten sie sich das Schloss und dessen Räumlichkeiten in Ruhe auf dem Rechner an. Enzo stibitzte sich zwischendurch ein rotes Osterei aus dem Proviantkorb. Lisa bemerkte es und klopfte ihm auf die Finger, was ihn aber nicht daran hinderte, es trotzdem zu tun. Er betrachtete das rot glänzende Ei, als sei es ein kostbares Schmuckstück, entfernte die Schale, bestreute es mit Salz und aß es genüsslich auf. Es war echt merkwürdig, aber Enzo glaubte, die roten Ostereier würden am besten schmecken, obwohl er wusste, dass das eigentlich gar nicht sein kann.
Auf Enzos Empfehlung schauten sich die Kinder gleich die Speisekarte an, um sich ihr Essen auszusuchen, das sie gleich am Mittag zu sich nehmen wollten. Nach langer Suche, Besprechung und Diskussion entschieden sie sich für Salzkartoffeln mit Gulaschsoße und Blumenkohlgemüse.
»Blumenkohl ist sehr gesund, weil er voller Vitamine und Mineralstoffe ist. Zudem ist er sehr bekömmlich, weil er eine besondere Zellstruktur aufweist«, informierte Ingo nebenbei. »Außerdem ist er kalorienarm.«
»Er ist aber nur kalorienarm, sofern man die Soße nicht mit einem Schmelzkäse verfeinert«, meinte Enzo, der sich mit Essen sehr gut auskannte. Da er später einmal Gourmetkoch werden wollte, interessierte er sich sehr für alles, was mit Essen und dessen Zubereitung zu tun hatte.
»Wir haben so viel Bewegung, dass uns Kalorien nichts anhaben können«, erwiderte Lisa, die auf ihre aktive Lebensweise sehr stolz war.
In ihrer Freizeit unternahmen die Kinder zusammen eine Menge. Falls sie nicht gerade einen Kriminalfall als Detektive aufklärten, unternahmen sie Reitausflüge, Wanderungen, ließen Drachen steigen, spielten Fußball, Tennis oder unternahmen Radtouren. Ihnen fiel ständig etwas ein, um sich körperlich zu betätigen. Den Kindern war bewusst, wie wichtig und gesund ausreichend Bewegung an der frischen Luft sein kann. Auch ein gutes Gedächtnistraining kam nicht zu kurz, welches sie mit Denkspielen und Memorykarten bewerkstelligten. Genauso war ihnen bewusst, wie wichtig gesunde und ausgewogene Ernährung für sie ist. Nur so konnten sie gewährleisten, dass ihr Gedächtnis und ihre Konzentration einwandfrei funktionierten und nur so war es ihnen möglich, kniffelige Detektivfälle zu lösen.
Obwohl sie gerade auf dem Weg waren, einen Fall aufzuklären, hatte Ingo Lesestoff in Form von Abenteuerbüchern mitgenommen. Denn sobald der Junge abends zu Bett ging, ließ er gerne den Tag mit einer Lesestunde ausklingen, die je nach Müdigkeit auch nur mal 10-15 Minuten dauern konnte.
Die Kinder rekelten sich in den Sitzen, fühlten sich rundum wohl und waren überglücklich, die Osterferien in einem Schloss verbringen zu dürfen. Bald hatten sie es fast geschafft, stiegen ein letztes Mal in der Stadt Frankfurt um und blickten aus dem Fenster, während sich der Zug ihrem Ziel unaufhaltsam näherte.



3. Ankunft und ein großer Schock
Etwa drei Stunden nach Abfahrt fuhr der Zug gegen 10 Uhr am Bahnhof in Kronberg ein. Die Kinder stiegen aus, zogen ihr Gepäck über den Bahnsteig und schauten dem weiterfahrenden Zug hinterher.
»So, liebe Leute«, sagte Ingo motiviert. »Jetzt ist es nur noch ein kleiner Fußmarsch bis zum Ziel. Vor unserer Abreise hatte ich mir die Stadtkarte eingeprägt und habe den Weg zum Schloss im Kopf.«
Ingo lief voraus und die anderen folgten ihm durch die Ortschaft. Je weiter die Kinder durch die 18.000-Einwohner-Stadt liefen, desto schwerer schien das Gepäck zu werden. Doch bald kamen sie in eine Straße, an deren Ende ein prachtvolles Schloss zu sehen war.
»Das ist aber ein tolles Schloss«, fand Lisa. »Ich freue mich richtig auf die Ferien.«
»Es sieht sehr geheimnisvoll aus«, schwärmte Enzo. »Die Sandsteinmauern und die nach oben hin gezackten Türme gefallen mir sehr.«
Der Anblick des Schlosses war wahrhaftig beeindruckend und die Kinder waren absolut begeistert. Eilig liefen sie durch die Parkanlage auf das Gebäude zu und folgten dem Weg, der durch eine üppig bunte Blumenwiese führte, wo ohrenbetäubend lautes Vogelgezwitscher herrschte. Die Fensterscheiben an der steinernen Fassade blitzten in der Sonne. Der Himmel war strahlend blau, es war angenehm warm und die Luft war von herrlichem Blütenduft erfüllt.


Erwartungsvoll traten die Kinder durch die Eingangstür und kamen in einen mit Holz vertäfelten Raum.
»Guten Morgen, Kinder«, grüßte die Dame hinter dem Rezeptionsschalter. Sie war etwa Anfang 30, hatte mittelblondes Haar und einen Pagenschnitt. »Ich bin die Rezeptionistin Frau Weidenbacher. Ihr seid bestimmt das IGEL-Team.«
»Exakt«, antwortete Georg. »Woher wissen Sie das?«
»Herr und Frau Riedelsheimer haben mich über eure Ankunft informiert«, klärte die Dame auf. »Sie sagten mir, sie hätten Kinderdetektive eingeladen.«
»Riedelsheimer? Wer ist das?«, hakte Lisa nach.
»Das sind die Schlossbesitzer«, erklärte Ingo. »Sie haben uns die Einladung und Fallschilderung geschickt.«
»Ganz genau«, pflichtete Frau Weidenbacher bei. Ihr Blick ruhte für einige Sekunden auf Georg. »Gehören Sie dazu, junger Mann?«
»Ja, ich bin erst dreizehn Jahre und sehe nur älter aus«, erklärte Georg stolz.
»Das ist unglaublich«, staunte die Frau. »Wir groß bist du denn?«
»Ich bin 176 Zentimeter groß«, teilte Georg mit. Eigentlich war Georg gewohnt, ständig auf sein Alter angesprochen zu werden, weil er aussah wie ein Neunzehnjähriger, was oft Verwirrung stiftete. Trotzdem war er jedes Mal stolz, das zu hören.
»Respekt«, bewunderte Frau Weidenbacher den groß gewachsenen Jungen und drückte eine Taste am Telefon. »Herr Forst wird euch eure Zimmer zeigen und das Gepäck mitnehmen. Ihr könnt so lange auf der Couch Platz nehmen.«
Die Kinder setzten sich auf das pinkfarbene Sofa gegenüber des Rezeptionsschalters und warteten ab. Dabei beobachteten sie die Dame an ihrem Klapprechner, der ein bläuliches Licht auf ihr Gesicht warf. Nach wenigen Minuten kam ein Herr, Ende 20, in einer orange-blau-farbenen Uniform die Treppen herab. Er grüßte die Kinder und steuerte direkt auf den Rezeptionsschalter zu.
Die Rezeptionistin hielt ihm einen Schlüssel entgegen. »Hallo, Herr Forst. Können Sie bitte die Kinder in die Suite bringen?«
»Selbstverständlich«, antwortete der Mann mit vornehmem Unterton. Er nahm die Schlüssel, griff sich die Koffer und lief die Treppen hinauf. »Könnt ihr mir bitte folgen?«
Aufgeregt folgten die Kinder dem Mann nach oben. Sie gingen durch einen Flur, wo Kommoden und eine silbrige Ritterrüstung standen und Bilder mit dicken goldenen Rahmen die Wände zierten. Auf dem Marmorfußboden lagen dicke, geblümte Teppiche, deren Muster ziemlich verblichen waren. Der Hotelpage führte seine Gäste zu einer Tür, schloss auf und stellte die Koffer in den Raum. »Bitteschön. Das ist eure Suite.«
Die Kinder wurden kreidebleich. Georg musste schlucken und war schockiert. »Das meinen Sie doch hoffentlich nicht ernst, oder? Falls ja, werden wir gleich wieder abreisen!«
Der Mann hob den Kopf und schaute sich im Raum um. In der Holzvertäfelung der Wände klafften Löcher und die herausgebrochenen Bretter lagen am Boden verstreut. »Meine Güte. Wir haben ein großes Problem.«
»Das ist uns bewusst«, witzelte Enzo. »Aus diesem Grund sind wir ja hergekommen.«
Der Gepäckträger schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht. Das war die letzte freie Suite, die wir für euch hatten. Alle anderen Zimmer sind entweder belegt oder demoliert und damit unbewohnbar. Ich weiß jetzt gar nicht, wo wir euch unterbringen könnten?!«
»Oh nein«, rief Lisa und sah sich im Raum um, ob man nicht doch hier wohnen könnte. Nein. Alles war beschädigt und sah sehr unwohnlich aus. Sogar die Keramik im Badezimmer war zertrümmert. Es sah aus wie auf einer Baustelle.
»Der Schaden ist enorm. Das ist das erste Mal, wo das Badezimmer zerstört wurde, sonst waren es immer nur die Wände. Könntet ihr bitte runtergehen und an der Rezeption warten?«, fragte Herr Forst und wirkte erschüttert. »Ich werde mit Frau Ganter sprechen, ob sie eine Lösung für das Problem hat. Ich komme nachher runter und sage euch Bescheid.«
»Okay, wir warten unten auf Sie«, willigte Ingo ein.
Eilig lief der Mann davon. »Bis nachher.«
»Gehen wir runter und warten«, sagte Georg und verließ mit Lisa und Ingo den Raum.
»Moment mal, Freunde«, rief Enzo erstaunt. »Was ist mit unseren Sachen?«
»Unser Gepäck lassen wir hier stehen«, meinte Lisa. »Das wird Herr Forst nachher in unser neues Zimmer bringen, falls er überhaupt eins findet.«
»Genau«, stimmte Ingo zu. »Herr Forst ist für das Gepäck zuständig und wird dafür bezahlt. Nehmen wir es mit, sieht es so aus, als würden wir ihm nicht vertrauen.«
»Okay. Gehen wir runter«, drängte Georg und lief voraus.
Als sie nach unten kamen, war die Rezeptionistin bereits informiert. »Es tut mir echt leid, was passiert ist, Kinder. Unsere Hotelfachfrau Frau Ganter hat das Zimmer nach der Reinigung heute Morgen überprüft, da war es noch in Ordnung. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine geeignete Unterkunft für euch finden werden.«
»Hoffentlich«, seufzte Georg betrübt. »Würden wir unverrichteter Dinge abreisen, wäre das echt sehr schade. Die Täter würden sich die Hände reiben.«

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