Rückblick
In IGEL-Team Band 1 wurden Ingo, Georg, Enzo und Lisa in ihren Ferien am Bodensee auf die vielen Vermisstenanzeigen verschwundener Katzen aufmerksam. Kurzerhand gründeten sie das IGEL-Team und gingen der Sache als Hobbydetektive auf den Grund. Schließlich konnten sie den Fall lösen, die Täter überführen, und bekamen eine satte Belohnung. Ihr Talent als Detektive sprach sich schnell rum. Daher bekamen und bekommen sie immer wieder Anfragen verzweifelter Menschen, die sie in besonders rätselhaften Fällen um Hilfe bitten.

Über das Team:
Ingo, Georg und Lisa sind Geschwister. Der mollige Enzo ist ein italienischer Junge aus der Nachbarschaft. Weil Enzos Eltern eine Pizzeria betreiben, haben sie wenig Zeit für ihn. Daher verbringt er die meiste Zeit mit den drei Geschwistern der Familie Seifert.

Alle Kinder bringen ihre persönlichen Eigenschaften mit:
Ingo Seifert (12) ist sehr klug und ein geschickter Pfadfinder. Er will später einmal Naturwissenschaftler werden.
Georg Seifert (13) ist groß und stark. Er ist dreizehn Jahre jung, was man ihm nicht ansieht, denn aufgrund seiner Größe würde man ihn auf neunzehn Jahre schätzen. Er strebt es an, einmal Pilot zu werden.
Enzo Vangelista (12) ist etwas mollig und hat immer Hunger. Er kann italienisch und kann prima Tierstimmen nachahmen. Enzo möchte später einmal ein Gourmetrestaurant betreiben.
Lisa Seifert (11) ist kleiner, schlanker, sportlicher und flinker als die anderen Kinder. Leider versagt bei Aufregung ihre Stimme. Sie möchte mal Tierpflegerin oder Tierärztin werden.

Zusammen sind sie ein unschlagbares Team.
Das IGEL-Team.

Mehr über das IGEL-Team findest du unter:
http://igelteam.jimdo.com

Die Eichhörnchen von Teneriffa – Band 18
Was ist denn da auf Teneriffa los? Ingo, Georg, Enzo und Lisa freuen sich auf schöne Ferien auf der Kanareninsel Teneriffa, als sie plötzlich schneeweiße Eichhörnchen entdecken, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Als IGEL-Team versuchen sie, mit detektivischem Spürsinn das Geheimnis zu lüften. Bevor sie sich versehen, stecken sie in einem gefährlichen Abenteuer.



Anmerkungen
Da die Geschichte in Spanien spielt, kommen einige Fremdwörter vor, die anders ausgesprochen werden als in der deutschen Sprache.

Daher werden wir diese Wörter und ihre Aussprache hier erläutern:
Schreibweise = Teneriffa
Aussprache = Tene-riffa
Was ist das? Insel im Atlantik

Schreibweise = Teide
Aussprache = Te-ide
Was ist das? Ein Berg auf der kanarischen Insel Teneriffa

Schreibweise = Santa Cruz de Tenerife
Aussprache = Santa Gruß de Tene-rife
Was ist das? Hauptstadt der Insel Teneriffa

Schreibweise = Calima oder Kalima
Aussprache = Kaliema
Was ist das? Trockener Sandwind aus Afrika, der über die Kapverdischen und Kanarischen Inseln hinwegzieht.

Schreibweise = Playa San Juan
Aussprache = Plaja San Chuan
Was ist das? Eine Ortschaft auf der Insel Teneriffa. Playa ist spanisch und heißt Strand.

So. Nun bist du bereit für die Geschichte.
Viel Spaß beim Abenteuer: «Die Eichhörnchen von Teneriffa»





Über den Wolken

Hoch über den Wolken schwebte ein Flugzeug über den tiefblauen Himmel in Richtung der Kanarischen Inseln. Die weiß glänzende Oberfläche des Flugzeugrumpfes reflektierte die grellen Sonnenstrahlen, die sich auch in den Fenstern widerspiegelten.
Die elfjährige Lisa saß bequem in ihrem Sitz und lugte hinüber zu ihrem beiden Brüdern. Der zwölfjährige Ingo blätterte technikinteressiert im Flugzeugprospekt und Georg, der zwar erst dreizehn war, aber aussah wie neunzehn, stierte nach vorne zum Mittelgang, wo die Flugbegleiterinnen den Essenswagen vorbereiteten. In der Sitzreihe gegenüber saß der zwölfjährige, mollige, schwarz gelockte Enzo, der für die drei Geschwister wie ein Bruder war. Er behielt ebenfalls die Flugbegleiterinnen im Auge und lauerte Lippen leckend darauf, dass endlich das Essen verteilt wird, dessen köstlicher Duft schon den ganzen Innenraum der Flugzeugkabine erfüllte.
»Ich freue mich wahnsinnig, die Ferien auf der Insel Teneriffa zu verbringen«, jubelte Lisa.
Ingo, der vor der Abreise wie immer gründlich im Internet recherchiert hatte, rückte seine Brille zurecht. »Die Kanarischen Inseln sind vor etwa zwölf Millionen Jahren durch vulkanische Aktivität entstanden.«
Enzo erschauderte. »Es gibt dort einen Vulkan?«
Ingo schmunzelte. »Ja, der Vulkan Teide ist mit 3718 Metern Höhe sogar ein sehr großer Vulkan. Aber keine Sorge, er ist derzeit nicht aktiv.«
»Wie hoch? 3718 Meter?«, wiederholte Lisa beeindruckt. »Das ist ja höher als Deutschlands höchster Berg?«
Ingo nickte. »Ja, die Zugspitze ist nur 2962 Meter hoch.«
»Wie groß ist Teneriffa überhaupt?«, interessierte sich Georg.
»Teneriffa ist achtzig Kilometer lang und fünfzig Kilometer breit und hat ungefähr eine Million Einwohner«, erklärte Ingo. »207 Tausend davon leben in der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife.«
»Was so viel wie heiliges Kreuz von Teneriffa bedeutet«, ergänzte Enzo stolz, der als Italiener einige spanische Worte verstehen konnte.
»Übrigens«, warf Ingo ein. »Auf den Kanaren hat der Kanarienvogel seinen Ursprung.«
»Stimmt. Das hattest du erwähnt, als wir damals nach Gran Canaria geflogen sind«, erinnerte sich Lisa. »In welcher Stadt werden wir unsere Ferien eigentlich verbringen?«
»In Playa San Juan«, erklärte Ingo. »Die 7000-Einwohner-Ortschaft hat einen schönen Sandstrand.«
»Klasse«, freute sich Enzo. »Ich bin so froh, dass Frau Mohr uns eingeladen hat.«
»Apropos Einladung«, griff Georg das Thema auf. »Sie hat uns eingeladen wegen ihrer Hunde? Hat sie nicht erklärt, worum es dabei genau geht?«
»Leider nein«, bedauerte Ingo. »Sie sagte nur, es gäbe ein Problem wegen ihrer Hunde.«
»Da bin ich mal gespannt, welches Problem das ist«, konnte Enzo es kaum noch erwarten.
Lisa schob sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und lehnte ihren Kopf an die Flugzeugscheibe. »Es muss wirklich gewaltig sein, wenn sie uns extra deswegen eingeladen hat und uns den Flug bezahlt.«
»Hat Frau Mohr eigentlich etwas über unsere Unterkunft erzählt?«, stellte Georg die brisante Frage.
Brisant deswegen, weil Lisa auf keinen Fall mit den Jungen in einem Zimmer schlafen würde. So ging auch Lisas Blick sofort zu Ingo, der zögerlich mit den Schultern zuckte. »Sie hat nichts von der Unterkunft erwähnt.«
»Na klasse«, fauchte Lisa.
»Musstest du jetzt damit anfangen, Georg?«, rügte Enzo, dem Lisas getrübte Laune sehr missfiel.
Georg winkte verharmlosend ab. »Lasst uns lieber bereden, was wir auf Teneriffa unternehmen werden.«
»Wir gehen schwimmen«, schlug Enzo vor.
»Und wir gehen wandern«, fügte Georg hinzu.
»Aber wir dürfen unsere Ausrüstung nicht vergessen, wenn wir wandern gehen. Es ist nämlich sehr gefährlich auf den Kanarischen Inseln in den Bergen zu wandern«, mahnte Ingo.
»Warum sollte das gefährlicher sein, als in Deutschland zu wandern?«, grummelte Lisa.
Ingo grinste schief, was den Anschein erweckte, dass er auf diese Frage gewartet hatte. »Weil es kilometerlange, unwegsame Strecken gibt, wo kein einziger Baum wächst. Der Weg ist steinig, anstrengend und birgt Verletzungsgefahren. Zudem sind Schattenplätze rar und die Sonne ist um ein Vielfaches stärker als in Deutschland. Man kann sich den Fuß verknacksen, einen Sonnenstich bekommen und innerlich austrocknen, dann macht der Kreislauf schlapp und man wird gnadenlos in der Sonne verbrennen, wenn nicht vorher die Nacht anbricht und man in der Dunkelheit einen Abgrund hinunterstürzt.«
Lisa runzelte die Stirn. »Das klingt wirklich verlockend«, sagte sie ironisch.
Ingo lächelte. »Wenn wir jedoch unsere Ausrüstung mitnehmen, kann uns gar nichts passieren.«
Endlich wurde das Essen ausgeteilt. Es gab Fleischklöße mit weißer Soße, dazu grünes Bohnengemüse und Kartoffelbrei. Als Nachtisch stand ein Kirschjoghurt auf dem Tablett. Zum Trinken bestellen sich alle einen Orangensaft. Während Lisa, Georg und Ingo noch die Aluminiumfolien von ihren Tellern entfernten, war Enzo schon am Essen.
Lisa grinste Enzo schelmisch an. »Iss nicht so viel, sonst wird das Flugzeug zu schwer und wir müssen notlanden.«
»Dafür isst du um so weniger, Hungerhaken«, konterte Enzo, worauf alle lachten.
Nach dem Essen lehnten sich alle zufrieden und satt in ihre Sitzen zurück und warteten, bis die leeren Tabletts eingesammelt wurden, was auch bald geschah.


*****


Ankunft auf Teneriffa

Nach insgesamt dreieinhalb Stunden Flugzeit, knapp 3500 Kilometer später, senkte sich die Maschine hinunter zum Atlantik und landete wenig später auf spanischen Insel Teneriffa. Vor Freude jauchzend eilten die vier Kinder aus dem Flugzeug durch den Terminal zur Gepäckhalle, wo viele Touristen mit ihren Kindern auf ihr Gepäck warteten. Bald kamen die Koffer übers Transportband angefahren. Lisa hielt den Gepäckwagen fest und Georg lud die Sachen auf. Enzo lief voraus und schob den Wagen nach draußen in die Vorhalle, wo aus der Menschenmenge eine Frau auftauchte. Ihr blondes Haar hatte die, etwa Ende 40-Jährige, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
»Hallo, IGEL-Team. Ich bin Frau Mohr«, stellte sie sich vor und lächelte, wobei sich um ihre Augen kleine Fältchen bildeten.
Ein weißgelb geblümtes Sommerkleid umhüllte ihre zierliche Figur. An ihren sonnengebräunten Armen, Beinen und an ihrem tiefbraunen Gesicht, sah man ihr sofort an, dass sie bereits lange auf der sonnigen Insel lebte.
»Hallo, Frau Mohr, ich bin Enzo«, grüßte Enzo die Gastgeberin und zeigte mit einer fließenden Handbewegung über seine Freunde. »Das sind Lisa, Ingo und Georg.«
»Ich kenne euch aus eurer Webseite«, erwiderte die Frau. »Schön, dass ihr endlich hier seid.«
»Sie haben uns eingeladen, weil es ein Problem mit Ihren Hunden gibt?«, wollte Ingo unverzüglich mehr in Erfahrung bringen.
»So ist es«, bestätigte die Frau und lief eilig voraus in Richtung Parkplatz zum Auto. »Ich werde euch gleich alles genau erklären. Wie war euer Flug?«
»Danke, es war sehr schön«, antwortete Lisa, als sie durch eine große Glastür nach draußen traten, wo sie von herrlich warmen Sonnenstrahlen empfangen wurden.
Ingo sah zum tiefblauen Himmel. »Das Wetter ist fantastisch.«
Frau Mohr nickte. »In der Tat. Obwohl ich schon über achtzehn Jahre hier lebe, liebe ich das Wetter immer noch.«
Sie kamen am Auto an und Georg half Frau Mohr, das Gepäck in den Kofferraum zu laden. »Um was geht es bei der Geschichte mit den Hunden, Frau Mohr?«
»Also … mein Mann und ich, wir betreiben ein Wellnessstudio und sind von morgens bis abends von zu Hause weg. Als wir vor wenigen Wochen nach der Arbeit heimkamen, hatte jemand unsere Hunde rausgelassen. Es war sehr ärgerlich und wir brauchten den ganzen Abend, um sie einzufangen«, berichtete Frau Mohr aufgebracht.
»Sie sind sicher, dass sie jemand rausgelassen hat?«, vergewisserte sich Enzo, während sie in den Wagen stiegen.
Die Gastgeberin nickte. »Ja, es ist offensichtlich, weil der Ausbruchsschutz am Tor entfernt wurde.«
»Ausbruchsschutz?«, wiederholte Lisa.
»Ja, die Hunde könnten ohne Weiteres durch das Gitter des Eisentors schlüpfen. Darum haben wir als Schutz eine Matte aus Kunststoff angebracht«, klärte die Frau auf.
»Haben Sie einen Verdacht, wer es gewesen sein kann?«, wollte Ingo wissen.
»Leider«, bedauerte Frau Mohr. »Wahrscheinlich waren es unsere Nachbarn.«
»Wie kommen Sie zu diesem Verdacht?«, hakte Enzo nach.
»Wenn wir den ganzen Tag weg sind, kann es vorkommen, dass ab und zu mal die Hunde bellen. Wir glauben, unsere Nachbarn sind mittlerweile vom Hundegebell genervt und getrauen sich nicht, uns darauf anzusprechen. Deshalb lassen ihren Frust auf diese Weise ab.«
»Das wäre zwar sehr unverschämt und hinterlistig, aber das ist durchaus ein gutes Motiv. Sprechen Ihre Nachbarn deutsch?«, interessierte sich Georg.
»Ja, sie sind vor drei Monaten aus der Schweiz nach Teneriffa gekommen«, erwiderte Frau Mohr. »Eigentlich verstehen wir uns sehr gut und unterhalten uns oft über den Zaun hinweg.«
Dann herrschte für einige Minuten Stille, während die Frau den Wagen auf der Landstraße oberhalb der Steilküste entlangsteuerte. Zur rechten Seite ragten hohe Palmen und große Kakteen aus dem sandigen Boden, der in der Sonne funkelte und glitzerte wie Diamanten. Auf der linken Seite offenbarte sich ein wundervoller Ausblick übers tiefblaue Meer. Boote mit bunten Segeln ließen sich im Wind gemächlich dahintreiben.
Enzo, Lisa, Georg und Ingo starrten wie hypnotisiert aus den Autofenstern und konnten es gar nicht mehr erwarten, endlich auszusteigen und die Landschaft zu erkunden.
Bald erreichten sie den Ort San Juan, der aus einer Ansammlung von malerisch bunten Flachdachgebäuden bestand. Ein paar Straßen weiter kamen sie an einem Bungalow an.
Frau Mohr parkte den Wagen am Straßenrand vor einem hohen weißen Bretterzaun. »Hier wären wir.«
Die Kinder luden ihr Gepäck aus und folgten der Frau durch das Eisentor, an dem eine dunkelgrüne Kunststoffmatte befestigt war.
»Die Hunde halten sich nur im Hof auf. Die Kunststofflamellen haben wir angebracht, damit sie nicht ausbrechen können. Sie würden sonst einfach durch die Gitterstäbe schlüpfen«, erläuterte Frau Mohr noch einmal.
»Ja, das ist klar«, erkannte Ingo. »Der Abstand zwischen den Stäben ist sehr groß.«
»Und Sie haben uns gerufen, weil jemand diese Lamellen entfernt hat und Sie vermuten, es seien Ihre Nachbarn gewesen?!«, fasste Georg den Sachverhalt noch einmal zusammen.
»Ganz genau«, bestätigte Frau Mohr.
Enzo kniete sich vor dem Tor nieder. »Die Matte ist mit Schnüren befestigt.«
»Wir sehen uns das später genauer an. Lasst uns erst einmal unsere Unterkunft begutachten«, drängte Lisa ungeduldig.
»Ja, folgt mir«, bat Frau Mohr und ging voraus.
Durch den mit Kakteen bewachsenen, sandigen Vorgarten führte ein Weg aus silbergrauen Steinplatten direkt zum weißen Flachdachgebäude, wo er sich zu Stufen des höher gelegenen Eingangs und zur Seite des Hauses verzweigte.
»Euer Appartement liegt da hinten«, informierte Frau Mohr.
Die Kinder folgten ihr über einen schmalen Weg, der zwischen dem Haus und der hüfthohen Mauer des Nachbargrundstücks, auf der ein weißes Holzgitter montiert war, entlangführte.
Ingo lugte auf das mit Rasen bewachsene Nachbargrundstück, wo ein Bungalow stand. »Wohnen diese besagten Nachbarn hier?«
Frau Mohr schüttelte den Kopf. »Nein, die neuen Nachbarn wohnen auf der anderen Seite des Hauses. Mit diesen Nachbarn verstehen wir uns sehr gut, seit sie vor vier Jahren hier eingezogen sind. Die Frau ist Schriftstellerin und Hobbywebdesignerin. Sie hat uns sogar unsere Webseite für unser Wellnessstudio erstellt. Der Mann ist Rentner und kümmert sich um den Haushalt.«
Mit großen Augen sah Enzo zum Nachbargrundstück, das unter anderem mit bunt blühenden Hibiskuspflanzen, Oleander, Birkenfeigen und Aloe-Vera-Pflanzen prachtvoll aussah. »Und gärtnern können sie auch.«
»Ja, es ist eine wahre Blütenpracht«, stimmte Lisa zu.
Sie kamen an eine dunkelbraune Holztür, die seitlich ins Haus führte.
»Hier ist euer Appartement«, sagte Frau Mohr feierlich.
»He, klasse. Wir haben sogar unseren eigenen Eingang«, freute sich Georg.
»Ja, das Appartement ist vom oberen Wohnbereich getrennt, das heißt, es gibt keine Verbindung«, berichtete die Gastgeberin, als plötzlich tiefes Hundegebell zu hören war.
»Meine Güte, die Hunde müssen ganz schön groß sein«, meinte Enzo und behielt recht, denn im selben Moment kamen zwei große Hunde um die Ecke geschossen und rannten genau auf die Eindringlinge zu.
»Perla! Luna! Seid brav«, schrie Frau Mohr, worauf die Hunde sofort neben ihrer Besitzerin wohlerzogen stehen blieben. Sie zeigte auf die beiden Hunde. »Die Braune heißt Luna und die Weiße mit dem braunen Hinterteil heißt Perla, weil sie schwarze, perlenähnliche Punkte im Gesicht hat.«
»Im Italienischen heißt Luna Mond und Perla heißt Perle«, übersetzte Enzo stolz.
»Im Spanischen heißt es genauso«, war Frau Mohr von Enzos Spanischkenntnissen beeindruckt.
»Hallo, Luna und Perla«, grüßte Lisa die Vierbeiner liebevoll.
»Die sind ziemlich groß. Machen die was?«, fragte Enzo unsicher.
Frau Mohr winkte lachend ab. »Nein. Die sehen nur so gefährlich aus, aber in Wirklichkeit sind sie sehr schüchtern und lieb und könnten keiner Fliege etwas zuleide tun.«
Lisa streichelte sanft die beiden Hunde, die freudig handschleckend zurückgrüßten. Auch Ingo, Enzo und Georg streichelten die Hunde, die zurückgrüßten, worauf die Sache in einer regelrechten Schleckorgie ausartete, die mit lautstarkem Wuffen und heftigem Schwanzwedeln noch verstärkt wurde.


*****

Das Appartement

Nachdem sich die Hunde mit den Kindern bekannt gemacht hatten und sie ausgiebig begrüßt hatten, widmeten die Tiere ihre Aufmerksamkeit dem Gepäck und schnuffelten die Koffer und Taschen ab.
Georg lachte. »Bringen wir lieber unsere Sachen rein, bevor sie anfangen, alles auszupacken.«
Georg, Lisa, Ingo und Enzo schoben ihr Gepäck ins Appartement. Luna und Perla blieben an der Tür stehen, als wenn eine unsichtbare Barriere eingebaut wäre.
»Sie wissen, dass sie das Appartement nicht betreten dürfen«, wies Frau Mohr zufrieden hin.
»Sehr gut erzogene Tiere«, staunte Enzo.
Zuerst inspizierten die Kinder die Räumlichkeiten. Das Appartement bestand aus einem Wohnzimmer mit amerikanischer Küche, einem Badezimmer und einem Schlafzimmer, das mit zwei Doppelbetten ausgestattet war. Die Möbel waren verschieden und sahen daher zusammengewürfelt aus, aber das Appartment wirkte dennoch gemütlich.
Lisa war erleichtert, dass sie nicht mit den Jungs in einem Zimmer schlafen musste. »Ich schlafe auf der Couch.«
Enzo grinste spitzbübisch, nahm Anlauf und sprang auf die Couch. »Prima. Ich schlafe auch auf der Couch.«
»Hör auf, mich zu nerven, sonst schläfst du im Hof bei den Hunden«, entgegnete Lisa erheitert.
Ingo entdeckte den Schreibtisch mit dem Computer, der direkt neben der Couch stand. »Hier gibt es sogar einen Computer?«
»Ja«, bestätigte Frau Mohr. »Üblicherweise nutze ich dieses Appartement ausschließlich als Computerzimmer. Der Rechner ist übrigens am Internet angeschlossen, ihr dürft ihn gerne benutzen, wann immer ihr wollt.«
»Danke«, nahm Ingo dankbar an. »Bestimmt gibt es die ein oder andere Information, die wir über Teneriffa recherchieren können.«
»Ihr seid bestimmt hungrig von der langen Reise«, vermutete die Gastgeberin. »Im Kühlschrank habe ich euch belegte Brötchen und Tomaten bereitgestellt. Wasser und Fruchtsäfte bringe ich euch sofort runter.«
»Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen«, jauchzte Enzo.
Frau Mohr verließ das Appartement. »Bis ihr ausgepackt und euch frisch gemacht habt, bin ich wieder da.«
Voller Vorfreude auf die Ferien rieb sich Georg die Hände. »Ist das nicht herrlich?«
»Es ist mehr als herrlich«, war Ingo derselben Meinung. »Wir haben unsere eigene Wohnung, was wollen wir mehr?«
Enzo fuhr sich mit beiden Händen durch die schwarzen Locken, als wenn er seine Frisur richten wollte. »Wir haben unser eigenes Appartement und Frau Mohr kümmert sich um unsere Verpflegung, es ist traumhaft.«
Lisa ließ sich erleichtert in die Couch sinken. »Und ich habe meinen Schlafplatz auf diesem bequemen Sofa und muss nicht mit euch in einem Zimmer schlafen.«
»Ja, das ist für dich die Hauptsache«, raunte Enzo.
Die Kinder packten ihre Sachen aus und verstauten sie in den Schränken. Kaum hatten sie sich frisch gemacht und an der thekenähnlichen Anrichte versammelt, kam Frau Mohr mit einem großen, geflochtenen Korb zurück.
»Wasser, Orangensaft, Ananassaft«, zählte sie auf und kramte ein rechteckiges mit Aluminiumfolie umwickeltes Päckchen aus dem Korb.
»Was ist da drin? Eine Bombe?«, fragte Enzo scherzhaft.
Die Gastgeberin schmunzelte. »Ich habe mir heute Morgen extra freigenommen und habe euch einen leckeren Kuchen gebacken. Ich hoffe, ihr mögt Schokoladenkuchen.«
»Ich liebe Schokoladenkuchen«, rief Enzo viel zu laut.
»Danke, das ist sehr nett von Ihnen. Wir mögen auch Schokoladenkuchen«, bedankte sich Lisa für alle.
»Sie sind unsretwegen zu Hause geblieben? Wenn wir nicht gekommen wären, hätten Sie heute Morgen gearbeitet?«, vergewisserte sich Ingo.
Frau Mohr nickte. »Mein Mann und ich, wir gehen morgens um 8 Uhr aus dem Haus und kommen erst am Abend gegen 19 Uhr zurück. Derzeit haben wir Hauptsaison und viel Arbeit in unserem Wellnessstudio, die Touristen rennen uns förmlich die Tür ein.«
»Das klingt nach sehr viel Arbeit«, schätzte Georg.
»Ja«, bestätigte Frau Mohr stolz. »Wir beschäftigen vier Angestellte und bieten Nageldesign und Massage an. Ihr seid also jeden Tag alleine und müsst für euer Mittagessen selbst aufkommen. Leider muss ich jetzt auch gehen. Mein Mann wartet bestimmt schon auf mich.«
»Kein Problem. Wir können nachher gleich mit unseren Ermittlungen anfangen, indem wir die Nachbarn befragen«, meinte Ingo.
»Soviel ich weiß, sind die Nachbarn auch nicht zu Hause. Sie wollten heute in den Norden der Insel fahren«, klärte die Frau auf.
»Dann werden wir das heute Abend erledigen«, meinte Ingo.
Georg zeigte auf den 2-Plattenkocher und den Mikrowellenherd. »Machen Sie sich wegen des Essens keine Sorgen, wir kommen schon klar. Zum Mittagessen werden wir uns in den nächsten Tagen Pizza holen oder uns selbst etwas zubereiten.«
»Falls ihr weggehen wollt, seid bitte vorsichtig und geht nicht so weit«, bat die Gastgeberin. »Vom spanischen Wetteramt wurde für morgen eine Sturmwarnung von Alarmstufe gelb ausgerufen. Es könnte gut sein, dass uns heute schon die Ausläufer des Unwetters treffen werden.«
»Danke, wir werden das berücksichtigen«, versprach Ingo.
Frau Mohr verabschiedete sich und die Kinder deckten gleich den Wohnzimmertisch ein. Sie aßen ihre knusprigen mit Käse, Salami und Mortadella belegten Brötchen. Als Beilage gab es leckere, sonnengereifte Tomaten.
Ingo zog seine Brille ab und wischte sie mit dem Taschentuch sauber, wobei er seine grünen Augen zusammenkniff. »Nach dem Essen werden wir die Umgebung erkunden und heute Abend könnten wir die Nachbarn befragen, die bis dahin zu Hause sein sollten.«
Enzo trank einen kräftigen Schluck Mineralwasser. »Denkt ihr, sie haben den Ausbruchsschutz am Tor entfernt?«
»Das könnte sein«, schaltete sich Georg ein. »Vielleicht fühlen sie sich tatsächlich durch die Hunde belästigt und wollten Herrn und Frau Mohr eins auswischen.«
Lisa stützte ihr Gesicht in die Hände. »Oder ihnen taten die Hunde leid, weil sie den ganzen Tag im Hof eingesperrt sind, und sie wollten damit andere Leute darauf aufmerksam machen, damit jemand den Tierschutz informiert.«
Enzo zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls sind sie momentan nicht zu Hause und uns bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
»So ist es«, meinte Georg. »Aber wir könnten heute eine kleine Bergwanderung machen. Ich bin von langem Sitzen im engen Flugzeug ganz steif geworden.«
Ingo war von der Idee begeistert. »Eine Wanderung würde mir auch guttun.«
»Ja, schaden kann es nicht, solange wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück sind«, willige sogar Enzo ein, der ansonsten ein kleiner Bewegungsmuffel war.
»Mich müsst ihr nicht fragen«, warf Lisa ein. »Für mich ist Bewegung nach der langen Sitzerei ein absolutes Muss!«
Georg, der zuerst aufgegessen hatte, setzte Teewasser auf und bereitete einen Schwarztee zu. »Es war eine gute Idee, Lisa, Teebeutel mitzunehmen«, lobte er, während er die Tassen auffüllte.
Enzo stierte auf den Kuchen. »Essen wir Schokoladenkuchen zum Tee?«
Ingo hob kritisch die Augenbrauen. »Aber nur ein kleines Stück, schließlich haben wir gerade eben erst zu Mittag gegessen.«
Sofort befreite Enzo den Kuchen von der Aluminiumfolie, worauf sich augenblicklich ein herrlicher Duft nach Schokolade, Zimt und Gewürznelken im Raum verbreitete. »Hm, der duftet lecker.«
So würzig und schokoladig der Kuchen duftete, so schmeckte er auch. Binnen weniger Minuten waren die sparsam geschnittenen Kuchenstücke aufgegessen und der Tee ausgetrunken. Die Kinder schulterten ihre Rucksäcke und traten hinaus in den Hof, wo sie von strahlendem Sonnenschein begrüßt wurden.
Lisa lugte in den tiefblauen Himmel empor. »Ist das nicht ein herrliches Wetter?«
Enzo nickte. »Ja, man kann gar nicht glauben, dass ein Unwetter gemeldet wurde.«
Schnurstraks rannten Luna und Perla auf die Kinder zu und begrüßten sie ein weiteres Mal.
»Ist ja gut, ihr Ausbrecher«, lachte Georg und streichelte ihnen über die Köpfe.
»Wuff«, gaben sie lautstark zurück.
Nach vielen Streicheleinheiten quetschten sich die Kinder aus dem Tor, das sie wegen der Hunde nur einen kleinen Spalt weit öffneten.
Ingo kniete sich nieder und begutachtete das Tor von außen. »Das ist ja merkwürdig?!«
Interessiert kniete sich Enzo daneben. »Hast du was entdeckt?«
Nachdenklich kratzte sich Ingo am Kopf. »Die Kunststofflamellen sind von innen mit Schnürsenkel angebunden, die von außen nicht sichtbar sind. Folglich kann man sie nur von innen durchtrennen.«
»Wo liegt das Problem?«, meldete sich Georg zu Wort. »Die Nachbarn können hineingegangen sein, um die Schnur zu durchtrennen.«
»Stimmt«, bejahte Ingo. »Es wäre zwar sehr auffällig aber dennoch machbar.«
»Gibt es eine Möglichkeit, das herauszufinden?«, wollte Lisa wissen.
Ingo zeigte zum Müllcontainer, der auf der gegenüberliegenden Seite, der verkehrsruhigen Seitenstraße stand. »Wir könnten eine Türüberwachung anbringen.«
Enzo lachte laut. »Klar. Hol dir einfach eine Türüberwachung aus dem Container. Bestimmt ist er voll davon.«
Ingo lief über die Straße, kramte ein Stück Pappe aus dem Container und schob es zwischen den Türspalt. »Sobald jemand das Tor öffnet, fällt die Pappe herunter.«
»Mit anderen Worten: Wenn die Pappe heruntergefallen ist, wissen wir, dass jemand drin war«, fügte Georg hinzu, worauf Ingo nickte.
Lisa, Georg und Enzo blickten sich verdutzt an. »Du bist ein Genie, Ingo«, lobte Lisa, worauf Enzo und Georg zustimmten.
»Schon okay«, winkte Ingo bescheiden ab. »Lasst uns jetzt zum Meer gehen. Es kann nicht weit sein, sonst würde man es nicht rauschen hören.«
Sie liefen die Straße runter und ihre Blicke schweiften über die Vorgärten, aus denen hohe Palmen emporragten. Über die flachen Dächer der Bungalows hinweg sahen sie den Horizont, an dem sich das tiefblaue Meer mit dem strahlend blauen Himmel schnitt.
Nach einigen Metern blieb Enzo an einer gepflasterten Seitengasse stehen. »Seht mal! Hier ist der Strand?!«
»Das ging ja schnell«, war Lisa überrascht. »Das sind nicht mal achtzig Meter vom Haus entfernt?!«,
Auch Ingo und Georg staunten nicht schlecht. »Ich hätte auch gedacht, es wäre weiter«, gab Ingo zu.
Sie liefen durch die enge Gasse und gelangten zur Strandpromenade. Sonnenschirme und Liegestühle in allen erdenklichen Farben und bunte Strandlaken zierten den goldbraunen Sandstrand. Zahlreiche Touristen schwammen im Meer, liefen am Strand spazieren oder ruhten sich auf den Laken und Liegen aus. Ein warmer, sanfter Wind verteilte einen salzigen Sprühnebel in der Luft. Die Wellen rollten rauschend auf den Strand.
Enzo blickte aufs Meer. »Das ist einfach nur grandios.«
»Das kann man wohl sagen«, pflichtete Ingo bei. »Aber lasst uns keine Zeit verlieren und in die Berge gehen, damit wir endlich unsere Bewegung bekommen. Wir werden uns morgen ausruhen und baden gehen.«


*****


Bergwanderung

Lisa, Georg und Enzo schlossen sich Ingos Plan an. So marschierten sie durch den kleinen Ort in Richtung der Berge, die in der Sonne golden strahlten. Bald verließen sie die Ortschaft und folgten einem schmalen Weg hinauf ins steinige mit spärlichen Büschen bewachsene Gebirge. Vom Steilpfad bot sich ihnen ein hervorragender Ausblick über den Ort und die Strände bis hinaus aufs Meer.
»Der Weg hat sich bereits gelohnt«, machte Georg auf den Ausblick aufmerksam.
»Ja, das ist eine tolle Aussicht«, schwärmte Lisa.
Ingo zeigte nach oben zum Gipfel, der noch meilenweit entfernt schien. »Wie muss es dann erst von da oben sein?«
Enzo ließ sich mit schmerzverzerrter Miene auf den Boden sinken. »Erzählt es mir, wenn ihr zurück seid. Ich wünsche euch viel Spaß da oben.«
Ingo wusste sofort, was zu tun war. Er holte einen Müsliriegel aus seinem Rucksack und reichte ihn Enzo. »Bitteschön.«
Enzos Augen weiteten sich. »Danke, Ingo. Du hast mir das Leben gerettet.«
»Wie immer«, brummte Lisa.
Nachdem Enzo den Riegel aufgegessen hatte, marschierten sie weiter. In der felsigen Landschaft, in der nur wenige kniehohe Büsche wuchsen, waren sie schutzlos der Kraft der Sonne ausgeliefert und kamen schnell ins Schwitzen. Die Steigung und das Geröll erschwerten die Wanderung ungemein.
Enzo wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Wir hätten Schirmmützen oder Sonnenhüte mitnehmen sollen.«
»Ja«, war Georg derselben Meinung. »Hoffentlich bekommen wir keinen Sonnenstich.«
»Das hätte uns gerade noch gefehlt. Ein Königreich für einen Schattenplatz«, stöhnte Lisa.
Ingo zeigte zum Berggipfel. »Da oben ist ein kleines Waldstück. Da können wir uns vor dem Abstieg im Schatten ausruhen.«
»Was machen wir, wenn wir es nicht mehr zurückschaffen?«, schauderte Enzo.
Ingo zeigte mit dem Daumen nach hinten auf seinen Rucksack. »Ich habe eine Taschenlampe und eine Trillerpfeife dabei. Falls wir uns verirren und die Nacht anbricht, könnten wir SOS pfeifen und Lichtsignale geben. Durch den kargen Baumbestand wird man uns im Tal sofort bemerken.«
Lisa fühlte sich gleich viel sicherer. »Es ist beruhigend, zu wissen, dass du an alles gedacht hast, Ingo.«
Ingo schmunzelte. »Ihr kennt mich doch.«
Der Weg und die Steigung schienen endlos, aber schließlich kamen sie oben am Waldstück an. Völlig entkräftet ließen sie sich im Schatten eines Baumes nieder, tranken Fruchtsaftschorle, ruhten sich aus und genossen den Ausblick. Gemächlich zogen dunkle Wolken über die Insel und allmählich verdunkelte sich der Himmel.
»Wenigstens sind wir jetzt nicht mehr der Sonne ausgesetzt. Das wird unseren Abstieg erleichtern«, fand Ingo.
Lisa überkam ein ungutes Gefühl. »Hoffentlich hat das nichts mit dieser Unwetterwarnung für morgen zu tun.«
»Oje … stellt euch vor, es würde in Strömen regnen. Der Untergrund würde aufweichen, es käme zum Bergrutsch und Rinnsale würden sich bilden«, malte Georg das Horrorszenario aus.
»Wir würden hier oben festsitzen und elendig verhungern«, krächzte Enzo, dem bei diesen Gedanken die Stimme versagte.
»Mensch Enzo! Du denkst aber immer nur ans Essen«, tadelte Lisa.
Enzo grinste gehässig. »Du hast gut reden, Lisa. Für dich wäre es kein Problem nach Hause zu kommen. Da du nur aus sommersprossiger Haut und Knochen bestehst, könnten wir dich einfach nur hochwerfen und du würdest wie ein Flugdrachen ins Tal hinabsegeln.«
»Ach ja?«, fauchte Lisa. »Du hast auch kein Problem nach Hause zu kommen. Weil du so massig bist, könnten wir dich nämlich einfach ins Tal hinabrollen. Wir müssten nur aufpassen, dass keine Häuser im Weg stehen, weil du diese zermalmen würdest.«
Ein Rascheln zwischen den Bäumen unterbrach ihre Unterhaltung abrupt.
»Was war das?«, erschrak Lisa.
»Vielleicht eine Echse?!«, vermutete Ingo.
»Das hörte sich aber größer an«, widersprach Enzo.
»Kanarische Echsen können bis zu dreißig Zentimeter groß werden«, erklärte Ingo.
Enzo sprang sofort auf. »Beißen die?«
Ingo schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Sorge. Sie beißen nicht und sind außerdem Vegetarier.«
»Das klingt interessant.« Lisa drehte sich um und suchte den Boden ab, indem sie mit der Hand durch das trockene Laub fuhr. »Echsielein, wo bist du?«
»Sei vorsichtig«, warnte Georg. »Wir wissen nicht, ob es wirklich eine Echse ist.«
»Es ist keine Echse«, rief Lisa hocherfreut und zog etwas Helles aus dem Unterholz.
Auf ihren Händen stand ein schneeweißer Igel, der sie mit großen schwarzen Augen ansah. Neugierig schnupperte sein schwarzes Näschen Lisas Hand ab. »Hallo, mein kleiner Schatz«, flüsterte Lisa liebevoll.
»Ist der süß«, rief Enzo und versuchte, ihn zu streicheln, worauf das Tier die Stirn krauste, mit seinen kleinen Händchen und Füßchen auf Lisas Hand fauchend herumtänzelte und bedrohlich die Stacheln aufstellte.
»Ein wilder Weißbauchigel ist eben kein Schmusetier«, lachte Ingo.
»Auch wenn er so aussieht«, fügte Georg amüsiert hinzu.
»Frechheit. Warum hat er auf Lisa nicht so reagiert?«, schmollte Enzo.
»Ich hatte den Überraschungseffekt auf meiner Seite. Ich setze ihn am Besten zurück, bevor er dich noch anfällt«, lachte Lisa und setzte das Tier ins Gebüsch, wo es eilig und schnaubend davonfuselte.
Wenige Sekunden später raschelte es erneut und Georg blickte nach oben. »Das kam aus der Baumkrone?!«
»Das kann bestimmt kein Igel sein«, stellte Lisa klar.
Auf einmal erspähten sie ein schneeweißes Eichhörnchen, das von einem Ast zum anderen sprang.
»Habt ihr das gesehen?«, rief Enzo. »Ein Weißbaucheichhörnchen.«
»Das war kein Weißbaucheichhörnchen«, widersprach Ingo. »Weißbaucheichhörnchen sind schwarz und haben einen weißen Bauch. Die gibt es nur in Japan. Dieses Eichhörnchen war schneeweiß.«
»Und was war das für ein Eichhörnchen?«, hakte Georg nach.
Ingo zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wir werden nachher im Internet nachsehen.«
Enzo grinste breit. »Ich kann es nicht glauben. Ingo weiß etwas nicht. Normalerweise bist du doch immer so gut auf unsere Ausflüge vorbereitet und weißt alles?«
Ingo schob trotzig die Unterlippe nach vorne. »Vielleicht habe ich bei meiner Recherche eben etwas übersehen?! Ist das vielleicht ein Weltuntergang?«
»Nein, aber das sieht dir gar nicht ähnlich?«, wunderte sich Lisa.
Auf Ingos Stirn bildeten sich senkrechte Falten. »Wenn ihr fertig seid, mich zu kritisieren, werden wir uns auf den Rückweg machen, bevor wir in ein Unwetter geraten.«
Das taten sie auch, und der Abstieg war ebenso kräftezehrend wie der Aufstieg, weil sie aufpassen mussten, auf dem Geröll nicht auszurutschen. Doch schließlich kamen sie kurz vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause an. Die Türüberwachung in Form der Pappe war heruntergefallen, was aber nichts zu bedeuten hatte, da die Gastgeber bereits zu Hause waren und offensichtlich sie die Überwachung ausgelöst hatten.
Nach einer Dusche saßen die Kinder im Wohnraum beisammen, als Herr und Frau Mohr das Appartement betraten. Der kräftig gebaute Mann mit den dunkelblonden, kurzen Haaren war wie seine Frau etwa Ende vierzig.
»Hier seid ihr ja. Wir hatten euch schon vermisst«, grüßte Frau Mohr und stellte den Kindern ihren Mann vor, der über ihre Anwesenheit ebenfalls erfreut war und sich für die Auftragsannahme herzlich bedankte.
Frau Mohr hatte das Abendessen von der Küche mit nach unten gebracht. Es gab Kartoffelbrei und Schinkenspargelröllchen, was nichts anderes war, als grüne Spargel, die in Scheibenkäse und gekochtem Schinken eingewickelt waren. Nachdem sich die Mohrs zurückgezogen hatten, wendeten sich die Kinder dem Essen zu, das sie am Wohnzimmertisch zu sich nahmen.
»Heute ist es für die Befragung der Nachbarn leider zu spät«, fand Georg.
»Das machen wir morgen. Wir sollten uns sowieso erst ein paar unverfängliche Fragen ausdenken«, schlug Ingo vor.
»In dem Fall werden wir sie morgen Abend besuchen«, ergänzte Lisa.
Nach dem Essen suchte Ingo im Internet nach Informationen über die weißen Eichhörnchen. Nach dreißig Minuten vergeblicher Suche gab er schließlich auf. »Ich finde nichts.«
»Die Eichhörnchen dürfte es demnach auf Teneriffa gar nicht geben?«, fragte Lisa verwundert.
»Es kann sich um einen Albino gehandelt haben. Es war wahrscheinlich nichts weiter als Zufall, dass wir ihm begegnet sind«, vermutete Ingo.
Müde von der langen Reise und erschöpft von der Bergwanderung gingen die Kinder früh in die Betten. Georg, Enzo und Ingo schliefen im Schlafzimmer und Lisa machte es sich in der Wohnküche auf der Couch bequem und lauschte noch ein wenig auf das Meeresrauschen, bevor auch sie einschlief.
Gegen 1 Uhr in der Nacht wurde Lisa durch das Bellen der Hunde aus dem Schlaf gerissen. Georg, Enzo und Ingo stürmten in den Wohnraum, wo Lisa bereits am Fenster lauerte. »Die Hunde rennen im Hof auf und ab. Irgendetwas beunruhigt sie.«
»Spüren sie vielleicht das drohende Unwetter?«, kam es Enzo in den Sinn.
Zusammen starrten sie aus dem Fenster hinaus in den dusteren Hof, als plötzlich etwas am Fenster vorbeihuschte.
»Was war das?«, wunderte sich Georg.
Die Kinder schlichen sich raus, doch es war weit und breit nichts zu sehen.
Lisa zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war es eine Taube oder eine Katze?«
»Tauben schlafen nachts. Bestimmt war es nur eine Katze«, schätzte Ingo.
Wenige Minuten später legten sich die Kinder in ihre Betten und schliefen recht schnell ein.


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